Hallo Hansafans,
am Donnerstag, den 27.08.2015 folgte um 9:30Uhr der mittlerweile zehnte Verhandlungstag gegen unser Mitglied. Das Prozedere der „Absicherung“ des Gerichtssaals durch Polizeibeamte, ebenso wie das Abkopieren der Personalausweise der wieder vielen Zuschauer, fand seinen Fortgang. Immerhin durfte der Angeklagte den Saal ohne Fußfesseln betreten.
Zu Beginn beantragte die Verteidigung, dass die Aussage des am neunten Verhandlungstag gehörten Zeugen auf ihre Relevanz für das Verfahren hin geprüft werden müsste. Zur Erinnerung: Beim Zeugen hatte es sich um einen 45-jährigen „Szenekundigen Beamten“ (SKB) gehandelt. Aus Sicht der Verteidiger müsse die Verwendbarkeit der Aussage des Beamten zumindest angezweifelt werden, nachdem dieser den Angeklagten auf den ihm vorgespielten Videoaufnahmen identifiziert haben wollte, ihn in fünf Jahren aber maximal zwei Mal persönlich gesehen haben will und ihn nicht als sogenannten „Problemfan“ einschätzte. Zudem sei der Zeuge, wie er selber betonte, der einzige Beamte gewesen, der den Angeklagten auf der Videosequenz erkannt haben wollte, was den Grad der Glaubwürdigkeit seiner Aussage vermindere, so die Verteidigung.
Nach der Zurkenntnisnahme des Antrags durch das Gericht, wurde der nächste Zeuge im Verfahren gehört. Hierbei handelte es sich um einen 41-jährigen Polizeiarzt aus Koblenz, der gleichzeitig der Hausarzt des vermeintlich durch den Angeklagten geschädigten Polizeibeamten ist. In der kurzen Befragung sagte der Zeuge aus, dass er bei seinem Patienten am Tag nach dem Spiel zwischen unserem F.C. Hansa und der SG Dynamo Dresden am 29. November 2014 eine sogenannte „Prellmarke“ attestiert und ihn für den Tag durch seine so eingeschätzte „Arbeitsunfähigkeit“ krank geschrieben hatte. Eine Therapie sei aufgrund der geringen Schwere der Verletzung nicht notwendig gewesen, so der Zeuge und sein Patient hatte sich im Nachhinein auch nicht mehr bei ihm gemeldet, was ihn in seiner Einschätzung bestärkte. Auf Nachfrage des Verteidigers erklärte der Arzt, worum es sich bei einer Prellmarke handelt. Dies sei kein Hämatom, sondern eine rot-bräunliche Färbung der Haut, bei seinem Patienten in Form des Steins, der ihn getroffen haben soll.
Nach der Entlassung des Polizeiarztes aus dem Zeugenstand verkündete die Kammer ihren Beschluss über den Beweisantrag der Verteidigung zur Einsichtnahme in das gesamte, den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stehende Videomaterial. Dieser Beschluss sollte ursprünglich bereits am letzten Verhandlungstag verlesen werden.
Das Gericht lehnte den Antrag ab. Aus Sicht der Kammer bestünde kein Anlass, der Verteidigung das etwa 900 Gigabyte umfassende, gesamte Videomaterial zugänglich zu machen. Einer Metapher folgend, existiere keine Not, das Heu heranzuschaffen, wenn nicht sicher sei, dass überhaupt eine sich darin befindliche Nadel existiere, so der Vorsitzende Richter. Die Verteidigung fordert seit Wochen ihr Recht ein, voll umfänglichen Zugang zur Akte zu bekommen. Dies ist ein fundamentaler Pfeiler eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens und in der Regel keine Verhandlungssache. Die Verteidigung vermutet, dass am Tatort zur Tatzeit noch andere Personen mit den selben oder ähnlichen Merkmalen (Sturmhaube, Jacke, Jeans, Schuhe) aufgenommen wurden, die mit der Person, die der szenekundige Beamte zweifelsfrei erkannt haben will, identisch sind. Mit der Metapher vom Heu und der Nadel bringt das Gericht seine sehr exklusive Vorstellung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zum Ausdruck. Nach Aussage des Vorsitzenden Richters würde es, selbst wenn sich solche Personen auf dem Videomaterial fänden, den Angeklagten keineswegs entlasten, weil dies schließlich immer noch nicht bedeuten würde, dass der Angeklagte nicht der Täter sei. Die Unschuldsvermutung scheint dem Gericht eine entbärliche Prämisse des deutschen Rechtswesens. Schließlich geht es der Verteidigung eben gerade darum, auszuschließen, dass es eventuell nicht doch eine Nadel im Heuhaufen – sprich mehrere Personen, die als Täter in Frage kommen – gibt. Es scheint aktuell so zu sein, als müsste die Verteidigung die Unschuld ihres Mandanten beweisen und nicht die Staatsanwaltschaft dessen Schuld.
Das Hauptargument des 35-seitigen Beschlusses war die vermeintliche Tatsache, dass kein Grund erkennbar sei, warum den zuständigen Polizeibeamten und der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl der Aufnahmen, nicht vertraut werden könnte. Nicht mal der Fakt, dass es sich bei dem hauptveranwortlichen Polizisten für die Videobearbeitung um einen Kollegen und wohl guten Freund des Geschädigten handelt, könne in den Augen des Gerichts Zweifel hieran erwecken.
Allein durch die generell bekannte und von vielen Seiten kritisierte „Nähe“ zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in der Bundesrepublik Deutschland, ohne überhaupt die persönliche Verbindung in diesem Fall zu berücksichtigen, darf dies aus Sicht der Blau-Weiß-Roten Hilfe in erheblichem Maße bezweifelt werden. Beispiele für diese deutlich zu kritisierende Nähe und die einem unabhängigen Rechtsstaat nicht würdige, fehlende Gewaltentrennung existieren nicht nur bei Fußballverfahren, sondern sind auch in anderen Bereichen zuhauf bekannt. Auch in diesem Verfahren wurde diese Nähe bereits von der Verteidigung gerügt. Der zuständige Oberstaatsanwalt hatte zwei Zeugen in die Räumlichkeiten der Kriminalpolizei geladen. Ein Polizeibeamter führte bei den Vernehmungen Protokoll und stellte gemeinsam mit dem Staatsanwalt Fragen. Die Verteidigung sah darin eine Nötigung durch die Staatsanwaltschaft, denn, so ihr Argument, der Staatsanwalt habe sein Amt dafür genutzt eine polizeiliche Vernehmung zu erzwingen. Wie zu erwarten war, wurde auch dieser Einwand seitens der Verteidigung vom Gericht nicht gewürdigt. Der Vorsitzende Richter machte beim Verlesen des Beschlusses erneut auf sich aufmerksam, indem er Teile des Antrags der Verteidigung als „polemisch“ qualifizierte und eine bedenklich tendenziöse Einschätzung abgab.
Nach ca. 90 Minuten endete so der zehnte Verhandlungstag. Der elfte Verhandlungstag findet am Montag, den 14. September 2015 gegen 11 Uhr statt.
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Neun
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Acht
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Sieben
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Sechs
BWRH-Mitglied vor Gericht – 4. und 5. Verhandlungstag
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Drei
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Zwei
BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Eins
C wie Kompetenz / C wie Zuständigkeit – Die BWRH kritisiert Äußerungen des Landesinnenministers Caffier
Eure Blau-Weiß-Rote Hilfe