BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Fünfzehn

Hallo Hansafans,

in der vergangen Woche wurde das Verfahren gegen unser Mitglied an drei Tagen fortgesetzt, so dass nun bereits 17 mal verhandelt wurde.

Am Montag, den 19.10. 2015 sagten drei Polizeibeamte aus. Zunächst die Zeugen Zilli und Billi (Namen von der BWRH geändert), welche die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten durchgeführt, diesen erkennungsdienstlich behandelt und die „Befragung“ des Zeugen C. in der JVA Bützow durchgeführt hatten. Im Anschluss wurde der Zeuge Willi (Name von der BWRH geändert) vernommen, welcher Auskünfte zur Fanszene des FC Hansa Rostock geben sollte.

Die ersten beiden Beamten boten dem Gericht zwei völlig identische Aussagen. Beide begannen ihre Ausführungen damit, dass sie sehr erstaunt darüber gewesen wären, in der Wohnung des Angeklagten keine Hinweise darauf gefunden zu haben, dass dieser dem FC Hansa nahe stehe. Lediglich ein Aufkleber, der eine fehlende Scheibe an der Tür ersetzte und die Eintrittskarten zum Spiel gegen Dynamo Dresden und bei Rot Weiß Erfurt, welche auf dem Küchentisch lagen, ließen darauf schließen, dass der Angeklagte Interesse am Verein habe, so die Zeugen.

Den geschulten Augen des Publikums und der Verteidigung fielen hingegen deutlich mehr Sympathiebekundungen des Angeklagten in seinen vier Wänden auf, als diese der Öffentlichkeit in diversen Bildern gezeigt wurden. So waren auf den Fotos Wimpel, diverse Aufkleber der Fanszene sowie eine 1,5m große Fahne des FC Hansa Rostock zu erkennen. Der Fokus der Beamten lag offensichtlich darauf, herauszustellen, dass der Angeklagte vermeintlich kritisch „gegenüber Staat und Polizei“ eingestellt sei, wie sie beispielsweise anhand von Postkarten mit Zitaten von Berthold Brecht oder Aufklebern versuchten zu belegen. Berthold Brecht zählt in jeder deutschen Schule zur Standardlektüre. Mehr ist zu dieser Deutung der Beamten aus unserer Sicht nicht zu sagen.

Abschließend folgte eine Auflistung der gefunden Kleidungsstücke, wobei beide Beamten aussagten, dass die gesuchten und die dem Täter zugeordneten Kleidungsstücke sowie ein vermeintliches Tatwerkzeug nicht gefunden worden waren. Auch das Fahrzeug des Angeklagten hätte man bisher nicht gefunden.

Der Zeuge Zilli gab anschließend seine Erinnerungen zur 90-minütigen Befragung des Zeugen und Mithäftlings des Angeklagten C. wieder. Der Polizeibeamte hielt den auf uns eher wirr wirkenden Mithäftling des Angeklagten nach eigenen Angaben für „wort- und redegewandt“ sowie „recht glaubwürdig“. C. kannte gemäß der Zeugendarstellung zum Zeitpunkt seiner Befragung Ermittlungsinhalte, die der Öffentlichkeit nicht bekannt waren. Folgender lebensnaher Sachverhalt drängt sich uns als Beobachter auf: der Angeklagte schildert dem Zeugen in der JVA den Tatvorwurf gemäß Ermittlungsakte und seine eigenen Rechtsansichten zum Fall. Dies tut er bewusst unabhängig von einer vermeintlichen Täterschaft. Der Zeuge wiederum – gefangen in seiner eigenen kleinen Welt – ist nicht in der Lage, Vorwurf und Rechtsansicht zu unterscheiden. Er hält somit die Wiedergabe der Vorwürfe (oder sogar den Inhalt der Akte) für gegebene Tatsachen und verinnerlicht diese so sehr, dass er im Zeugenstand unbeirrt davon ausgeht, den Angeklagten und seine Motive wiedergeben zu können. Auf Nachfrage der Verteidigung, ob der Beamte den Zeugen C. während der 1,5 Stunden Vernehmung gefragt habe, ob dieser die Akte gelesen habe, antwortete Zeuge Billi kurz und knapp „nein“. Ob ein Vernehmungsprotokoll während der Befragung gefertigt wurde, ebenfalls: „nein“. Seitens der polizeilichen Zeugen wurde offensichtlich versucht, den Zeugen C. als glaubwürdig darzustellen. Angesichts dessen, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt eine Aussage machte und auch bei den erkennungsdienstlichen Maßnahmen jede Mitwirkung verweigerte, erscheint es aus unserer Sicht extrem unwahrscheinlich, dass dieser sich einem verhaltensauffälligen Mithäftling sofort und ungefragt anvertraute und die dem Täter vorgeworfenen Handlungen in seiner Person bestätigte.

Endgültig in der Glaubwürdigkeit erschüttert scheint der Zeuge C. dadurch, dass die Verteidigung am 20.10. 2015 beantragt hatte, ein Schreiben des Zeugen als Beweismittel zuzulassen, aus dem sich ergibt, dass dieser, entgegen seiner ausdrücklichen Aussage vom 14.09.2015, bereits am 28.08.2015 Haftzeitverkürzung beantragt habe. Am 14.09.2015 fragte der Vorsitzende Richter explizit und eindeutig nach etwaigen Anträgen des Zeugen C. im Zusammenhang mit seiner Haft; insbesondere, ob dem Zeugen C. für seine Aussagen „etwas angeboten“ wurde und ob er den Antrag auf Verkürzung der Haftzeit gestellt habe. Der Zeuge C. betonte, dass ihm keine Hafterleichterungen versprochen, er keinen Haftzeitverkürzungsantrag gestellt habe und einen solchen auch nicht stellen werde. Dies verwunderte bereits am 14.09.2015 alle Beteiligten, da die Beantragung der Verkürzung der Haftzeit eigentlich ein jeder Gefangener stellt; schon allein weil es gesetzlich möglich ist, bei entsprechender Führung die Haftzeit auf Antrag hin auf 2/3 zu reduzieren.

Die Befragung des Zeugen Billi brachte im Anschluss hinsichtlich der Durchsuchung der Wohnung keine weiteren Erkenntnisse; seine Wahrnehmung glich der des Zeugen Zilli. Der Zeuge Billi gab im weiteren Verlauf seiner Vernehmung an, dass beim Angeklagten eine Funkzellendatenerhebung stattfand und dass der Angeklagte bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch videografiert werden sollte. Diese Behandlung fand in Räumlichkeiten der Polizei statt. Die angefertigten Bilder sollten und wurden einer Sachverständigen Morphologin für ein Gutachten als Vergleichsmaterial zur Verfügung gestellt. Der Angeklagte und anwesende Verteidiger gingen davon aus, dass lediglich Fotos des Angeklagten gemacht werden sollten. Als diese gefertigt waren, verließ der Verteideiger die Räumlichkeiten in der Annahme, das die erkennungsdienstliche Behandlung beendet sei. Auf die anschließende Nachfrage des Angeklagten gegenüber dem Zeugen Billi, ob er beim Verlassen der Räume in Richtung Gefangentransporter gefilmt wurde, um der Sachverständigen auch Videomaterial zur Verfügung zu stellen, bejahte der Zeuge dies. Da der Angeklagte jede Mitwirkung und Aussage im Verfahren verweigert, beugte er einer Videografierung dadurch vor, dass er sich weigerte, den gefilmten Bereich gehend zu betreten.

Den Verhandlungstag schloss der Zeuge Willi ab. Dieser sollte dem Gericht allgemeine Auskünfte über die Fanszene des FC Hansa Rostock geben. Der Zeuge stellte dazu zunächst klar, dass ein Szenekundiger Beamter dies sicher besser einschätzen könnte. Die Erkenntnisse eines solchen könnt ihr gerne in unserem Bericht vom 9. Verhandlungstag nachlesen. Der Zeuge Willi ist nach eigenen Angaben seit Oktober 2013 in Strafsachen mit Fußballbezug eingesetzt und erkennt in Rostock eine problematische Fanszene, die unpolitisch sei. Veränderungen will er nach dem Heimspiel gegen Halle festgestellt haben. Es sei so eine „Gefühlssache“, wonach die Bekleidung der Fans nach der Masseningewahrsamnahme „uniformer“ geworden sei, so der Zeuge. Auch habe er eine „deutliche Zurückhaltung“ der Fans beim Spiel gegen Dresden im Vergleich zum Spiel gegen Leipzig festgestellt. Begründen konnte er diese Angaben nicht. Sodann ließ das Gericht dem Zeugen ein Video vom Spiel in Osnabrück vom 27.04.2009 vorspielen. Unabhängig davon, dass der Zeuge nach eigenen Angaben zu dem Zeitpunkt noch nicht mit Fußballsachen betraut war, lieferte das Video keine weiteren Erkenntnisse. Lediglich in die Persönlichkeitsrechte dreier Hansafans wurden eingegriffen, da sie auf dem Videomaterial im Porträt mit Ausweis in der Hand gefilmt wurden und die persönlichen Daten gleichzeitig in die Kamera gesprochen wurden. Damit endete der Verhandlungstag.

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