BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag Acht

Moin Hansafans,

am Fr., den 31.07.2015 folgte der mittlerweile achte Verhandlungstag. Dieser zeichnete sich vor allem durch seine vielen Unterbrechungen aus, so dass unterm Strich mehr Pause gemacht wurde, als das tatsächlich in der Sache verhandelt wurde. So konnten von den acht geladenen Zeugen auch nur fünf vernommen werden und die Verhandlung zog sich von 9-18 Uhr. Zunächst begann die Verhandlung mit der Verlesung einer Erklärung der Verteidigung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. der Freigabe des gesamten, über 900 GB umfassenden Videomaterials rund um die Spiele, zu denen die Anklagen erhoben wurden. Während die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass es sich bei dem Material um Spurenakten handele, die nicht herausgegeben werden müssten, kritisierte die Verteidigung erneut die aus ihrer Sicht vorschnelle Festlegung auf den Angeklagten bei der Auswertung des Videomaterials. So sei nur den Angeklagten belastendes Material zusammengeführt worden, ohne das zeitgleich auch ein Fokus auf ihn möglicherweise entlastendes Material gesetzt wurde, obwohl es auf den Videoaufzeichnungen zahlreiche Personen mit den selben Kleidungsmerkmalen gab. Zudem sei die vorschnelle Zuordnung auch nicht mit Fakten belegt. Auch wurde kritisiert, dass der hauptsächlich mit der Videoauswertung beauftragte Polizeibeamte in einem Team mit dem Nebenkläger, welcher durch einen der mutmaßlichen Steinwürfe getroffen wurde, arbeitet, so dass weitere Zweifel an der Unvoreingenommenheit bestünden.

Nach einer ersten kurzen Unterbrechung wurde anschließend der erste Zeuge vernommen. Hierbei handelte es sich um den damaligen Ermittlungsrichter, welcher den ersten und den erweiterten Haftbefehl gegenüber den Angeklagten verkündet hatte. Auf Nachfragen der Kammer schilderte er, soweit er sich noch erinnern konnte, die genannten Situationen. Hierbei beschrieb er den Angeklagten als ruhig, sachlich und dass dieser „einen sympathischen Eindruck“ auf ihn machte. Allerdings blieb ihm auch in Erinnerung, dass der Angeklagte leicht flapsig gesagt haben soll, dass man „wegen sowas heutzutage ins Gefängnis nach Waldeck kommen solle“. Auf Erwiderung des Ermittlungsrichters, dass es sich bei den Anschuldigungen nicht um Kleinigkeiten handele, nahm der Angeklagte die Äußerung jedoch anschließend zustimmend zurück. Die Verteidigung stellte dann klar, dass der Angeklagte damit weniger die Anschuldigungen, als die dürftige Beweislage gemeint habe.

Nach einer weiteren Verhandlungspause wurde anschließend der zweite Zeuge, ein Bereitschaftspolizist, vernommen. Dieser wurde den Videoaufzeichnungen und eigenem bekunden nach beim Spiel Hansa-RB Leipzig durch einen Steinwurf in der Leistengegend getroffen. Bemerkenswert war, dass er gleich einleitend berichtete, dass es ja „ständig Ausschreitungen“ in diesem „bekannten Block“ gebe, vor dem er am Spieltag im Einsatz war. Sodann schilderte er die Bekleidung des Steinewerfers, wie sie auch auf dem ihm bekannten Videoaufzeichnungen zu sehen war. Auf Nachfrage des Vorsitzenden erzählte er, dass es nicht sein erster Fußballeinsatz gewesen, aber der erste, welcher so eskaliert sei. Zudem erklärte er auf die Frage, ob den Steinwürfen möglicherweise polizeiliche Maßnahmen gegen Hansafans vorausgegangen seien, beinahe reflexartig, dass diese soweit auf jedem Falle „nicht ungerechtfertigt“ gewesen seien. Interessant wären an dieser Stelle weitere Ausführungen gewesen, da hinlänglich bekannt ist, dass es im Rahmen des eher unglücklich verlaufenen Polizeieinsatzes auf dem Rundgang der Südtribüne während des Heimspiels gegen RB Leipzig zu zahlreichen Übergriffen durch Polizeibeamte auf unbeteiligte Fans gekommen ist. Interessanterweise konnte der Zeuge später auf Nachfrage der Verteidigung kein einziges weiteres Spiel nennen, an dem es zu Ausschreitungen in „diesem bekannten Block“ gekommen ist.

Nach einer weiteren kurzen Pause verkündete der Vorsitzende Richter dann mit den Einleitenden Worten, „wir können so etwas auch“, dass er ein weiteres Gutachten der DEKRA in Auftrag gegeben habe. Durch das Gutachten soll festgestellt werden, welche Auswirkungen ein Steinwurf mit faustgroßen Steinen bei einer Geschwindigkeit von 92 km/h auf den unbehelmten Kopf der Polizisten gehabt haben könnte. Zur weiteren Begründung führte der Vorsitzende den prominenten Totschlagsfall am Vatertag in Warnemünde an, bei diesem der Tod des Opfers durch unglückliche Umstände beim Schlag gegen den Kopf eingetreten ist.

Sodann folgte die Befragung eines dritten Zeugen. Dieser erschien mit einem Rechtsbeistand, welcher noch vor Beginn der Verhandlung monierte, dass ihm keine Akteneinsicht gewährt wurde und sein dahingehender Antrag abgelehnt worden sei. Zudem machte er für den Zeugen ein vollumfängliches Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO geltend. Dies begründete er nachvollziehbar damit, dass dem Zeugen auf Grund einer vorherigen staatsanwaltschaftlichen Vernehmung eine Nähe zu dem Angeklagten unterstellt wurde und es nicht auszuschließen sei, dass gegen den Zeugen nach der Vernehmung durch die Kammer möglicherweise auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könnte. Während auch die Verteidigung diese Gefahr bejahte, verneinte die Kammer, genauso wie der Staatsanwalt, erwartungsgemäß ein Auskunftsverweigerungsrecht. Nach einem zähen Austauschen von Argumenten seitens des Rechtsbeistandes, der Kammer und dem Staatsanwalt wurde die Verhandlung anschließend ein weiteres Mal für einen längeren Zeitraum unterbrochen.

Nachdem die Verhandlung fortgeführt wurde, stellte die Kammer mit Beschluss fest, dass dem Zeugen kein Auskunftsverweigerungsrecht zustünde. So sah sich dieser trotz seiner Bedenken gezwungen, sich den Fragen des Vorsitzenden zu stellen. Da dieser teils sehr unpräzise Fragen stellte, bekam er entsprechend auch nur sehr unpräzise Antworten, so dass er den Zeugen mehrmals mahnte. Dieser hingegen verlangte, dass die an ihn gerichteten Fragen entsprechend eindeutig gestellt werden mögen. Sodann wurden dem Zeugen Videosequenzen vorgehalten, auf denen er nach Möglichkeit Personen identifizieren sollte, was ihm jedoch nicht zweifelsfrei, nicht zuletzt auf Grund der schlechten Qualität des Materials, gelang. Auch an die ihm vorgehaltenen Auszüge aus dem Protokoll der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung konnte er sich nur noch vage bis gar nicht erinnern, da diese mittlerweile schon ein dreiviertel Jahr zurücklag.

Zuvor widersprach die Verteidigung jedoch der Verlesung der Auszüge aus dem Protokoll, da die staatsanwaltschaftliche Vernehmung nach Ansicht der Verteidigung eigentlich eine erzwungene kriminalpolizeiliche Vernehmung gewesen sein soll. Denn genau so wurde die Vernehmung damals überschrieben und neben dem Staatsanwalt war auch ein polizeilicher Ermittler anwesend, welcher ebenfalls Fragen stellte. Da der Zeuge damals aber einer polizeilichen Vernehmung fern blieb, was sein gutes Recht ist, da man nur zu Vernehmungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte gezwungen ist zu erscheinen, lag die Annahme nahe, dass hier eine polizeiliche Vernehmung erzwungen werden sollte. Nicht zuletzt fand die Vernehmung sogar in den Räumlichkeiten der Polizei statt. Zur Klärung der Frage und um den Verteidiger die Möglichkeit zu geben, die Stellungnahme seitens des Staatsanwalts aus dem Vorverfahren einzusehen, dieser wurde nämlich damals bereits wegen des Vorgangs wegen Nötigung angezeigt und es wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben, wurde die Verhandlung erneut unterbrochen. Dabei ließ es sich der Vorsitzende nicht nehmen, die erneute 30-minütige Unterbrechung mit breitem Grinsen in Richtung Zuschauer zu verkünden.

Nach Fortsetzung der Verhandlung monierte die Verteidigung erneut den aus ihrer Sicht vorhanden Etikettenschwindel, während der Staatsanwalt sich darauf berief, dass es ihm obliege, wo er die Befragungen durchführe und dass er das falsche Formblatt bereits als Fehler seinerseits eingestanden habe. Daraufhin verkündete die Kammer nach erneuter kurzer Unterbrechung per Beschluss, dass der Widerspruch gegen die Verlesung als unbegründet zurückgewiesen werde.

Kurz darauf informierte dann einer der Verteidiger das Gericht darüber, dass laut Aussage eines Zuschauers, einer der im Gerichtssaal anwesenden Polizisten per Funk und Klopfzeichen über sein Funkgerät möglicherweise eine illegale Funkübertragung der Verhandlung nach außen vornehme. Dieser wurde dann nach Zögern der Kammer, aber auf Nachdruck der Verteidigung, um Stellungnahme gebeten. Nachdem dieser versicherte, dass er keinerlei Aufzeichnungen der Verhandlung nach außen funke, sondern lediglich Kontakt zu seinem Einsatzleiter halte und Funksprüche bestätige, wurde die Verhandlung fortgesetzt. Auffällig war jedoch, dass auf Nachfrage, ob jemand der Anwesenden fünf Polizeibeamten die Verhandlung aufzeichnen würde, zwei Beamte, von denen einer mit einer Handkamera ausgestattet war, die er nach eigenem bekunden jedoch nicht eingeschaltet habe, nach einer anschließenden weiteren Verhandlungspause durch zwei andere Beamte ersetzt wurden. Im Übrigen wurden ebenfalls Beamte, die an vorherigen Verhandlungstagen noch in zivil unter den Zuschauern gesichtet wurden, diesmal gesichtet, wie sie in Uniform über die Gerichtsflure schlichen.

Nachdem die Kammer anschließend das Fragerecht an den Zeugen dem Staatsanwalt übertragen hatte, lehnte dieser jedoch ab. Begründet hat er dies mit der offensichtlichen Unwilligkeit des Zeugen, konkrete Antworten zu geben. Daher regte er an, den Zeugen erneut zu laden, nachdem man zuvor die damaligen Vernehmungsbeamten hören sollte.

Nach Abschluss der Vernehmung des dritten Zeugen regte der Vorsitzende sodann an, dass der Rechtsbeistand seine Prozedur bzgl. des nachfolgenden Zeugen, welcher ebenfalls von ihm betreut wurde, hinsichtlich eines auch hier möglichen Auskunftsverweigerungsrechts zu überdenken. Er begründete dies damit, dass nach dem vorausgegangenem zwar viel Zeit verstrichen ist, im Ergebnis sich jedoch nichts daran geändert habe, dass der Zeuge aussagen musste.

Auf Grund der durch die vielen Unterbrechungen weit fortgeschrittenen Zeit wurden dann zwischenzeitlich die noch wartenden drei weiteren Zeugen hereingebeten und zu einem anderen Termin erneut geladen.

Sodann wurde, nach einer weiteren kurzer Pause, der vierte Zeuge gehört. Hierbei handelte es sich wieder um einen Polizeibeamten, welcher bis 2008 jedoch zusammen mit dem Angeklagten in einer Fußballmannschaft gespielt hat. Während der Ermittlungen wurden ihm die Videosequenzen mit den Steinwürfen gezeigt und er wurde dazu befragt, ob er in der vermummten Person den Angeklagten erkenne. Dieses Vorgehen wurde von der Verteidigung auch hier wieder stark kritisiert. Zum einen fehlt Vergleichsmaterial, was einer Einzelbildvorlage gleichkomme und die Ermittlungen waren schon auf den jetzigen Angeklagten festgelegt. Dies macht die Zeugenaussage aus kriminalistischer Sicht jedoch eigentlich überwiegend wertlos. In der Sache war sich der Zeuge jedoch Sicher, auf Grund des athletischen Bewegungsbildes und dem „Gesamtpaket bzgl. Größe und Bewegung“ den Angeklagten zu erkennen. Seiner Ansicht nach spreche daher „mehr dafür, als dagegen“, dass es sich bei den Angeklagten um den Täter handelt.

Nach erneuter Unterbrechung der Verhandlung verkündete die Kammer sodann, dass der Vorbehalt der Verteidigung bzgl. des erneuten Abspielens der Videosequenz, als unbegründet zurückgewiesen werde. Sodann wurden dem Zeugen die Videoaufnahmen erneut vorgeführt. Und auch jetzt vermochte er den Angeklagten auf Grund seines typischen Laufstils, namentlich dem „raumgreifenden Laufen“ und dem „Schwungnehmen mit den Armen“ wiederzuerkennen. Neben dem typischen Gangbild, will er den Angeklagten auf den Aufnahmen zudem trotz Sturmhaube auf Grund der Augenpartie wiedererkannt haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die in vorherigen Verhandlungstagen aussagenden Polizisten von einem sehr unsportlichen, schlaksigen und eben nicht athletischen Laufstil gesprochen haben.

Nach einer erneuten Unterbrechung sollte dann der letzte Zeuge an diesem Tage gehört werden. Da dieser – wie erwähnt – den selben Rechtsbeistand zur Seite hatte, wie auch schon der dritte Zeuge, forderte dieser auch hier wieder konsequenterweise ein Aussageverweigerungsrecht ein. Zur Begründung führte der Rechtsbeistand diesmal ergänzend mit an, dass er einem NDR Artikel ein Zitat des Leiters der Polizeidirektion Rostock, M. Ebert, entnehmen konnte, dass sich jeder, der sich allein schon in der Nähe von Personen aufhält, die im Rahmen von Fußballspielen Straftaten begehen, sich selber strafbar machen würden. Da nicht auszuschließen sei, dass dies auch Handlungsmaxime seiner Ermittlungsbeamten ist, ist es umso nachvollziehbarer, dass auch dieser Zeuge sich der Gefahr einer Einleitung eines Verfahrens ausgesetzt sieht, sollte er sich möglicherweise durch seine Aussagen in irgendeiner Form verdächtig machen. Der sichtlich genervte Vorsitzende verweigerte ein solches Aussageverweigerungsrecht jedoch, wie auch der Staatsanwalt, mit selbiger Begründung wie auch schon zuvor. Da der Staatsanwalt zudem der Meinung war, dass auch in der Fußballszene ein Ehrenkodes herrsche, welcher es verbiete mit Polizei und Justiz zu reden und auch für diesen Zeugen wieder befürchtete, dass er sich ein Auskunftsverweigerungsrecht faktisch erzwingen wolle, beantragte er Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft um den Zeugen zur Aussage zu zwingen.

Obwohl dieser sich nicht einmal abschließend dazu geäußert hatte, ob er trotz Versagung eines Aussageverweigerungsrechts dabei bleibe, die Aussage zu verweigern, zog sich die Kammer erneut zurück, um per Beschluss über den Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden.

Und dieser Beschluss sollte es dann in sich haben: Dem Zeuge wurde angeordnet, bis zum 7.8., also dem nächsten regulären Verhandlungstag in Ordnungshaft zu gehen und die Kosten seiner Verweigerung zu tragen! In der Begründung führte die Kammer an, dass sie ein Ordnungsgeld im vorliegenden Fall auf Grund der Verweigerungshaltung nicht für erfolgsversprechend halten würden und daher auf die schwerere Ordnungshaft zurückgreifen würden. Der sichtlich schockierte Zeuge lenkte letztlich dann doch noch ein und erklärte gezwungenermaßen seine Aussagebereitschaft. Daraufhin hob die Kammer den vorherigen Beschluss auf und begann mit der eigentlichen Zeugenbefragung. Diese war jedoch im Ergebnis ebenso unergiebig wie schon die vorherige Befragung des dritten Zeugen, da auch hier auf Grund der langen Zeitspanne und des schlechten Bildmaterials keine verwertbaren Angaben gemacht werden konnte.

Damit fand der bislang längste Verhandlungstag zur Erleichterung aller Anwesenden endlich ein Ende. Auffällig war, dass die Sicherheitsvorkehrungen für die Verhandlung diesmal verschärft waren und wie schon erwähnt, mehrere Polizisten zur Absicherung in den letzten Reihen der Zuschauer saßen. Besonders kritisch ist dabei, dass es aus Sicht der Prozessbeobachter objektiv keine Veranlassung für eine solche Maßnahme gibt. Möglicherweise ist dies aber auch nur ein Versuch, die nach wie vor zahlreich vorhandenen Zuschauer zu zermürben, da durch diese Maßnahme mindestens 10 Zuschauerplätze weggefallen sind. Trotz alledem war auch dieses Mal der Zuschauerbereich erneut fast restlos gefüllt. Selbst die vielen langen Unterbrechungen, bei denen der Vorsitzende das akademische Viertel seiner selbst festgelegten Zeiten jedes Mal mehr als ausreizte, führte jedoch nicht dazu, die Mehrheit der Zuschauer zu vergrämen.

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