Über die falsche Verdächtigung dreier Hansafans und die Problematik von Stadionverboten

Gerne erinnert man sich an den 2:1 Auswärtssieg beim VfL Osnabrück Mitte August des letzten Jahres. Nicht nur, dass man nach vielen unglücklichen Auftritten unserer Kogge im Stadion an der Bremer Brücke endlich mal siegreich vom Platz gehen konnte, sondern auch das Drehen des 0:1 Rückstands zur Halbzeit durch Tore von Johan Plat und Halil Savran im 1000. Auswärtsspiel unseres F.C. Hansa, trugen zur großen Freude bei.

Für drei Hansafans gab es ein paar Wochen später aber ein böses Nachspiel. Carlos Karacho, Ronny Rolltor und Sebastian Subbotnik (Namen geändert) erhielten Post, in der ihnen vorgeworfen wurde, während des Spiels Pyrotechnik gezündet zu haben. Als Zeuge fungierte ein Ordner des VfL Osnabrück, der die drei nach dem Spiel am Ausgang des Stadions eindeutig wiedererkannt haben wollte. Ermittlungsverfahren wurden durch die Polizei eingeleitet und wie üblich gab es jeweils ein Stadionverbot obendrauf.

Carlos, Ronny und Sebastian wandten sich an die Blau-Weiß-Rote Hilfe und das kommunale Fanprojekt, um gegen die in ihren Augen zu Unrecht verhängte Strafe vorzugehen. Bei zwei der drei betroffenen Hansafans konnte durch den vermittelten Rechtsanwalt recht schnell eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden. Die Anwaltskosten übernahm dabei die Hansa-Fanhilfe, da die Jungs Mitglieder sind und dies auch schon vor dem Fall waren. Zudem war der Fall an Ungerechtigkeit kaum zu übertreffen.

Wie sich herausstellte, hatte der Osnabrücker Ordner die Hansafans wohl doch nicht so eindeutig wiedererkannt, wie das von Polizei und VfL ohne weiteres Nachfragen hingenommen wurde. Aufnahmen vom Gästeblock zeigten, dass keine der Personen Pyrotechnik gezündet haben konnte, da sie schlicht und einfach zu dem Zeitpunkt, an dem die Fackeln angingen, nicht in der Nähe waren. Der Eine befand sich in der Nähe einer der Trommeln, der Andere am anderen Ende des Gästeblocks und der Dritte saß auf dem Zaun.

Ronny und Sebastian erreichten so recht schnell die Einstellung des Verfahrens und eine Aufhebung des Stadionverbots durch den VfL Osnabrück. Carlos muss bislang weiterhin draußen bleiben, da die Mühlen der Verwaltung leider oftmals sehr langsam mahlen. Das Groteske an der in der Theorie so deklarierten Präventivmaßnahme, die in der Praxis jedoch eindeutig als Strafinstrument angewandt wird, ist, dass man bei einem Stadionverbot erst einmal seine Unschuld beweisen muss, bevor dieses aufgehoben werden kann. Mit anderen Worten stellt ein Stadionverbot also das komplette Gegenteil zur eigentlich in Deutschland geltenden Unschuldsvermutung dar und führt diesen Grundpfeiler eines seriösen Rechtsstaates ad absurdum.

Der Fall von Carlos, Ronny und Sebastian zeigt einmal mehr sehr eindrucksvoll wie problematisch und wenig durchdacht Stadionverbote sind. Zwar mussten die Mitglieder der Blau-Weiß-Roten Hilfe glücklicherweise nicht allzu lange auf die Aufhebung ihrer SV´s warten, jedoch ist dies auch nur dem Umstand geschuldet, dass sie sich gegen diese Ungerechtigkeit zur Wehr gesetzt haben und aktiv wurden. Ohne Mitglied in einer Fanhilfe zu sein, erscheint es heutzutage nahezu unmöglich erfolgreich gegen eine Stadionverbotsstrafe vorzugehen. Dass sie nur wegen der haltlosen Anschuldigung einer (!) Person mehrere Spiele ihres Vereins nicht im Stadion verfolgen durften und sich einen Anwalt nehmen mussten, erscheint wie ein schlechter Scherz und verdeutlicht ebenso, wie unverantwortlich manche Personen bei Fußballvereinen, Verbänden und Polizei mit einer für Fußballfans solch einschneidenden Strafe umgehen. Es ist vollkommen absurd, dass man heutzutage fast schon einen Rechtsschutz haben muss, wenn man regelmäßig ein Fußballstadion betritt.

Gerade vor dem Hintergrund der jüngst vollzogenen Änderung der Stadionverbotsrichtlinien durch den DFB, die SV´s nicht nur weiterhin als sinnvolle Maßnahme im vermeintlichen Kampf gegen „Mord und Totschlag“ im Fußball dastehen lässt, sondern die Bedingungen und Regelungen sogar noch verschärft, erscheint der Fall von Carlos, Ronny und Sebastian als ein mahnendes Beispiel für die Untauglichkeit von Stadionverboten und den dringenden Bedarf einer Abschaffung oder zumindest umfassenden Reform.
Ganz abgesehen davon, dass die Richtlinienänderung ein weiteres Mal suggeriert, dass es in deutschen Stadien nicht sicher ist. Bewiesenermaßen ist das Gegenteil der Fall und das in den letzten Jahren weiter vollzogene Drehen an der Repressionsschraube schießt sprichwörtlich mit „Kanonen auf Spatzen“.

http://blau-weiss-rote-hilfe.de/aenderung-der-stadionverbotsrichtlinien-durch-den-dfb/

Aus der Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte vom 3.12.2013 zur Verschärfung der Stadionverbotsrichtlinien (http://www.fananwaelte.de/?p=147):

–    Entgegen der Darstellung des DFB stellen Stadionverbote faktisch eine Bestrafung dar und haben nicht nur präventiven Charakter. Widerrechtlich verhängte Stadionverbote stellen einen erheblichen Grundrechtseingriff dar und können im Nachhinein nicht wiedergutgemacht werden, da sie sofort vollzogen werden.

–    Stadionverbote beruhen in der Regel ausschließlich auf einem Verdacht, ohne dass der Ausgang eines Ermittlungsverfahrens abgewartet wird. Weder ist die Schuld des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt festgestellt, noch liegen den Vereinen ausreichende Indizien vor, um eine präventive Gefahrenprognose seriös treffen zu können.

–    Weder erforderlich noch akzeptabel ist eine Ausdehnung der Möglichkeit zur Verhängung von Stadionverboten wegen „gegen die Menschenwürde verstoßendem Verhalten“. Derartig unbestimmte Rechtsbegriffe lassen befürchten, dass künftig Verhaltensweisen von Fans sanktioniert werden, die als zugespitzte Schmähkritik gegenüber gegnerischen Fans oder Funktionären typischerweise zum Bestand der Fankultur gehören.

–    Die geplante Weitergabe von Daten aus Stadionverboten an die FIFA, die UEFA bzw. andere ausländische Nationalverbände ist rechtswidrig und datenschutzrechtlich inakzeptabel. Weder für den DFB noch für den Betroffenen gibt es Kontrollmöglichkeiten, was mit den weitergegebenen Daten passiert. Es besteht die Gefahr, dass die Daten auf unabsehbare Zeit gespeichert oder gar wiederum an weitere Personen und Institutionen weiter gegeben werden.