Geladen hatten die „Football Supporters Europe (FSE)“. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die von Institutionen, wie der UEFA, dem Europarat oder dem Verband europäischer professioneller Fußballligen (EPFL) als Ansprechpartner für Fanfragen konsultiert wird. Im Jahr 2008 formell gegründet, besitzt das Netzwerk derzeit Mitglieder in 45 Ländern. Ziel der FSE: Fußballfans vernetzen sich und gehen fanrelevante Themen an. Zum Austausch und zur Konkretisierung entsprechender Problematiken veranstaltet die FSE jährlich den EFFC. In Form von Meetings, Podiumsdiskussionen und Workshops entsteht ein Dialog zwischen Fans sowie Vertretern aus Fußball, Zivilgesellschaft, Staat und Politik. Für den diesjährigen Kongress, vom 2. bis zum 5. Juli in der nordirischen Hauptstadt Belfast, wurden Vertreter der Blau-Weiß-Roten Hilfe eingeladen, um als Sprecher für den Workshop zum Thema “Diffidati con noi? – Stadium Bans“ zu fungieren.
Am Kongress allgemein nahmen mehr als 250 Fanrepräsentanten, -beauftragte, -anwälte, -forscher, Behördenvertreter und Politiker aus 30 Ländern Europas teil. Hinzu kamen Gäste, wie z.B. der ehemalige FIFA-Vizepräsident Jim Boyce oder der Vizepräsident der UEFA-Widerspruchsstelle Michael Maessen.
Die Schwerpunkte variierten von Netzwerktreffen der Fananwälte und -forscher, über Podiumsdiskussionen zur aktuellen Situation der FIFA bis hin zu Workshops, in denen sich über Fanbotschaften bei der EURO 2016, den Kampf gegen Diskriminierung, Kollektivstrafen und Stadionverbote ausgetauscht wurde.
In der Funktion als Sprecher zum Thema “Diffidati con noi? – Stadium Bans“ stellten die BWRH-Vertreter zunächst rudimentär die Arbeit und Tätigkeitsfelder der Solidargemeinschaft dar. Im Anschluss folgte eine kurze und vereinfachte Erläuterung der Rahmenbedingungen und Vergabepraktiken von Stadionverboten in Deutschland. Zuletzt und zusammengefasst wurde auf die hauptsächlichen Probleme und (negativen) Konsequenzen eingegangen.
Dabei fokussierte man sich auf den ungerechten Charakter, die zugrunde liegende Ausblendung mehrerer zentraler rechtsstaatlicher Prinzipien, sowie die Verfehlung des theoretisch präventiven Zweckes von Stadionverboten in Deutschland. Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass mithilfe von Stadionverboten gesellschaftliche Problemfelder lediglich verschoben und nicht gelöst werden.
Infolgedessen kann aus Sicht der Blau-Weiß-Roten Hilfe vermehrt beobachtet werden, dass viele Vereine umzudenken begonnen haben, indem sie weniger als noch vor einigen Jahren grundlos mit SV´s „um sich werfen“ und heute öfter auf pädagogische Ansätze setzen.
Bedenklich ist demgegenüber der Trend, dass Gerichte und Justizbehörden zunehmend Stadionverbote als Bewährungsauflagen erteilen und somit den eingeschlagenen Weg der Vereine ad absurdum führen. Ähnlich verhält es sich mit neueren Repressionsmaßnahmen, wie Stadtverboten, vermehrt zu beobachtenden Hausdurchsuchungen oder ähnlichen, als unverhältnismäßig empfundenen, Einschnitten in die Grundrechte von Fußballfans.
Mit Pierre Barthelemy, einem Fananwalt von Paris Saint-Germain, berichtete ein weiterer Workshop-Teilnehmer über den Umgang mit Stadionverboten in Frankreich. Erhält man dort ein Stadionverbot, muss man sich während des Spiels seiner Mannschaft bei der zuständigen Polizeistation melden. Über das eigentliche Verbot hinaus dürfen sich betroffene Personen auch nicht in öffentlichen Bereichen aufhalten, an denen Spiele übertragen werden. Ist zudem ein identifizierter Straftäter einer bestimmten Gruppe zuzuordnen, kann diese gesamtheitlich mit einem Stadionverbot belegt werden. Allein die Annahme möglicher Ausschreitungen genügt und die Polizei kann anstehende Auswärtsfahrten verbieten. In Frankreich sei es vor allem die Polizei, die Auseinandersetzungen provoziere, so Barthelemy.
Dahingehend riet der dritte Workshop-Sprecher David Bohannan vom EU Football Safety & Security Experts Think Tank nach einer Vorstellung seiner Sichtweise des Problems, sowie der grundsätzlichen Zustimmung, dass Stadionverbote in den genannten Formen abzulehnen seien, den Dialog mit der Polizei aufzunehmen.
Dies wurde während der folgenden Diskussion aufgrund der überwiegend negativen Erfahrungen von den BWRH-Vertretern, Barthelemy und einer Vielzahl des Publikums entschieden abgelehnt. Ob in Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden oder in den Niederlanden – nicht selten werden Fußballfans unverhältnismäßig und gefühlt nahezu wie Terroristen behandelt. Lediglich in Dänemark scheint die Kommunikation zielorientiert zu verlaufen, wie eine dänische Fanrepräsentantin schilderte.
Bohannan sah sich bestätigt und ergänzte, dass die „schlechten“ Fans selektiert und ausgegrenzt werden müssten. Dies sollte nach seinem Dafürhalten nicht durch die Vereine und Verbände realisiert werden, sondern transparent durch den Staat, beziehungsweise durch einen Rechtsakt. Für Bohannan stehen Vorfälle, die außerhalb und innerhalb des Stadions geschehen im direkten Zusammenhang und daher sollten die Strafen dahingehend aufeinander abgestimmt sein.
Zuvor genannte Ausführungen fanden wenig Anklang und erlagen der Auffassung, dass es immer noch um Fußball ginge und die damit im Kontext heraufbeschworene Kriminalisierung kritisch zu betrachten sei. Eine Unterteilung von Fußballfans in „gut“ und „schlecht“ sei ebenso fehl am Platze und entschieden abzulehnen.
Abschließend versuchten die BWRH-Vertreter hierbei nochmals auf den gesellschaftlichen Gesamtkontext von Stadionverboten und Repressionen gegenüber Fußballfans generell aufmerksam zu machen. Dabei verdeutlichten sie, dass die zugrundeliegende Logik bei Politik, Polizei, Staat und anderen sehr häufig die gleiche sei und sich nur in ihrer Ausformung unterscheide. Problematisch sei vor allem das je nach Sichtweise ganz fehlende oder falsche Verständnis bei vielen Entscheidungsträgern für Fußballfans und Fankultur.