Bericht aus Istanbul zum Prozessauftakt gegen Ultras in Istanbul

Hallo Hansafans,

zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs wurden Mitglieder eines Fanclubs angeklagt, eine Regierung gestürzt haben zu wollen.

Wegen ihrer Teilnahme an den Gezi-Protesten im Sommer 2013 mussten sich am 16. Dezember 2014 35 Mitglieder des Beşiktaş-Fanclubs CARSI vor dem Istanbuler Strafgericht verantworten. Für fünf von ihnen forderte die Anklage lebenslange Freiheitsstrafen. Hunderte Beşiktaş-Fans versammelten sich bereits vor dem offiziellen Beginn der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude, um ihre Freunde zu unterstützen. Diese wurden zudem von Fans anderer Türkischer Vereine und auch Fußballfans aus weiteren Ländern unterstützt. Zwei Vertreter der Blau-Weiß-Roten Hilfe Rostock waren ebenfalls angereist, um sich mit den 35 Angeklagten solidarisch zu zeigen.

Diesen beiden bot sich vor dem Gerichtsgebäude zunächst folgendes Bild: Flankiert von zwei Wasserwerfern, mehreren Räumungsfahrzeugen und behelmten Einheiten mit diversen Schusswaffen (Tränengas-, Gummigeschoss- und automatische Gewehre), skandierten ca. 750 Fußballfans zwischen sieben Übertragungswagen und dem Gerichtsgebäude türkische Schlachtrufe.

Gegen 10:00 Uhr sollte der Prozess beginnen. Noch um 11:00 Uhr verhandelten die Verteidiger mit dem Gericht über die Größe des Verhandlungssaals. Hatte das Gericht bis dahin einen Saal gewählt, der eine Teilnahme der Öffentlichkeit nicht zuließ, wurde dann der Umzug in einen größeren Saal beschlossen. Auch vor diesem verlief der Einlass sehr chaotisch. Für unsere beiden Vertreter und weitere internationale Beobachter war jedoch in diesem Saal ebenfalls kein Platz, so dass man auf Informationen von ebenfalls wartenden angewiesen war. So soll einer der Hauptangeklagten dem Gericht mitgeteilt haben, dass, wenn CARSI die Macht hätte, eine Revolution zu starten, dass sie sehr wohl als erstes Beşiktaş Istanbul zum türkischen Meister machen würden.

Verantworten sollte sich ein weitere Angeklagter, welcher eine Pizzeria betreibt, zu dem Vorwurf, durch das Verteilen von kostenlosen Pizzen an die Demonstranten, die Revolution unterstützt zu haben.

Das Gerichtsgebäude wurde dann gegen 17:00 Uhr durch den Sicherheitsdienst geschlossen. Das Verfahren gegen die Fans ging indes weiter. Bis 01:00 Uhr in der Nacht wurden weitere Befragungen durchgeführt und der Zeitplan für den weiteren Verlauf besprochen. Am Ende eines langen Tages wurde das Verfahren auf den 02.04.2015 vertragt und die Angeklagten durften zurück zu ihren Freunden. Inhaftiert wurde niemand und auch Reisebeschränkungen wurden aufgehoben.

Wir halten euch auf dem Laufenden.

Presseartikel von DTJ-Online

Eure Blau-Weiß-Rote Hilfe