„Gute Zeugin, schlechte Zeugin – Dritter Hansafan in Osnabrück freigesprochen

Wie wir bereits Ende Januar berichteten, hatte das Auswärtsspiel beim VFL Osnabrück am 17. August 2013 für die drei Hansafans Carlos, Ronny und Sebastian (Namen geändert) ein unerfreuliches, juristisches Nachspiel. Die Jungs sollen Pyrotechnik gezündet haben und wurden dabei sowohl von Ordnern, als auch anschließend nach Auswertung der Polizeivideos, vermeintlich eindeutig wiedererkannt, so hieß es. Bei Ronny und Sebastian wurden die Verfahren – auf Initiative unseres Anwalts hin – relativ schnell eingestellt. Anschließend hob man auch deren Stadionverbote auf. Carlos hingegen musste bis zum 20. Februar 2014 warten. Ihm wurde ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz nach § 27 Abs. 1 vorgeworfen. Ende vom Lied: Es konnte nachgewiesen werden, dass er überhaupt keinen pyrotechnischen Artikel gezündet hatte. Damit war die Frage, ob ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz vorlag, vom Tisch. Aus diesem Grund wurde er nach nur einem Verhandlungstag „aus tatsächlichen Gründen“ vom Amtsgericht Osnabrück freigesprochen. Carlos verpasste in den letzten Jahren nur ganz wenige Spiele unserer Kogge und durfte nun unverschuldet über ein halbes Jahr lang kein Stadion betreten. Nach dem Freispruch wurde auch das gegen ihn verhängte Stadionverbot aufgehoben. Doch soweit nur die Eckdaten dieses Falles. Die Vorgeschichte dieses Urteils ist das eigentlich Interessante.

Warum das Verfahren gegen Carlos nicht auch, wie im Fall von Ronny und Sebastian, eingestellt wurde, ist weder für den Laien noch den Fachmann nachvollziehbar. Schließlich lag gegen Carlos zunächst nicht mehr belastendes Material vor als gegen die anderen Beiden. Wir haben in der ersten Fassung einen kleinen sachlichen Fehler gemacht, den wir jetzt nach Absprache mit unserem Anwalt korrigieren wollen. Doch keine Angst, wir haben die Sache nicht aufgebauscht, sondern eher harmloser dargestellt als sie wirklich war.
Derselbe Staatsanwalt, der die Verfahren gegen Ronny und Sebastian eingestellt hatte, kannte auch im Fall von Carlos die Aktenlage genausten. Alle Polizei- und Stadionvideos entlasteten die drei Beschuldigten zweifelsfrei. Merkwürdig ist jedoch, dass der Staatsanwalt dem Vorschlag unseres Anwalts, Carlos’ Verfahren ebenso einzustellen wie die anderen zwei, nicht nachkam. Seine Strategie glich stattdessen vielmehr der aus einem schlechten Justizthriller à la Hollywood: Er nahm das entlastende Videomaterial einfach nicht mit zur Akte und verließ sich auf die Aussage einer jungen Polizistin. Das heißt im Klartext: Er kam seiner Pflicht, auch entlastendes Material zu berücksichtigen nicht nach und nahm so mindestens billigend in Kauf, dass ein Unschuldiger Verurteilt wird.
Die 24-jährige Polizeikommissarin Rebecca H. wollte eindeutig gesehen haben, wie Carlos im Gästeblock eine brennende Bengalfackel in der Hand hielt. Das der Richterin vorgelegte Material, beschränkte sich vorerst also auf die Aussage der Polizistin. Der Fall schien damit klar.

Auf Nachfrage unseres Anwalts, wie denn nach ihrer Kenntnis eine Bengalfackel aussehe, beschrieb die Polizeibeamtin den Gegenstand mit dem charakteristischen roten Feuer, das alle Anwesenden ja sicher aus Funk und Fernsehen kennen würden. Daraufhin bestand unser Anwalt nun doch auf die Sichtung des zunächst nicht vorhandenen Videomaterials. Auf den Aufnahmen war beim besten Willen im ganzen Block keine einzige brennende bengalische Fackel auszumachen. Lediglich sah man einige wenige andere pyrotechnische Gegenstände auf dem Boden zwischen den Fans brennen. Darüber hinaus erkannte man, dass Carlos auf dem Zaun saß und nichts tat.
Blöd gelaufen für den Staatsanwalt und die junge Polizeikommissarin. Denn, eine andere Situation, in der im Gästeblock irgendetwas qualmte oder brannte, gab es schlicht nicht und so konnte man ausschließen, dass Rebecca H. die Situationen versehentlich verwechselt hatte. Carlos’ Strafverteidiger wies auf die skandalöse Falschaussage hin und auch die Richterin zeigte sich entsetzt über das Auftreten der Polizistin sowie das verantwortungslose Handeln des Staatsanwalts. Ohne das entlastende Videomaterial wäre Carlos mit Sicherheit verurteilt worden, darüber waren sich alle Anwesenden einig.

Dass es skrupellose Staatsanwälte und Falschaussagen von Polizisten nicht nur im Fernsehen gibt, überrascht mittlerweile kaum noch jemanden. Schon der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass jeder, der ein Verfahren einleitet, ein natürliches Interesse an einer Verurteilung hat. Demnach sind Aussagen von Polizisten bei Gericht aus sachlichen Gründen sehr viel weniger glaubhaft, als die von unbeteiligten Zufallsbeobachtern. Leider sehen das die meisten Richter in der Regel anders. So führen Aussagen von Polizisten, sofern kein entlastendes Videomaterial vorgelegt wird oder drei Hände voll seriöser Entlastungszeugen gehört werden, so gut wie immer zu Verurteilungen.
Rebecca H. hat sich durch ihre falsche Verdächtigung (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) sowie uneidlicher Falschaussage (drei Monate bis fünf Jahre) strafbar gemacht. Dass es sich im Fall von Carlos im Grunde um eine Verfolgung Unschuldiger handelt, die nach § 344 (StGB) mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft wird, wollen wir an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Die Anzeige gegen Rebecca H. ist mittlerweile erstattet worden. Wir halten euch in dieser Sache selbstverständlich auf dem Laufenden.

Auf das bedenkliche Vergabeprozedere von Stadionverboten haben wir bereits des Öfteren aufmerksam gemacht. Zur Erinnerung noch einmal ganz grob: Wird ein Verfahren gegen einen Fan eingeleitet, gibt die Polizei die Daten des Beschuldigten an die Verbände/Vereine heraus. Diese verhängen in solchen Fällen häufig, bevor das Verfahren beendet ist – vermeintlich präventiv – ein Stadionverbot. Weil schlicht nicht gewartet wird, was sich aus dem Verfahren ergibt, wirkt ein Stadionverbot in der Praxis meist als Sanktionierungsmaßnahme. Erst wenn der Beschuldigte seine Unschuld bewiesen hat, wird das Stadionverbot wieder aufgehoben. Die verlorene Zeit mit seinen Freunden bei seiner Mannschaft gibt einem niemand zurück. Davon, dass versucht wird, den Geschädigten in anderer Form zu entschädigen, ist man derzeit meilenweit entfernt.

Dank eurer Spenden können wir solche und ähnliche Fälle überhaupt erst unterstützen und mitfinanzieren. Darum werdet oder bleibt Mitglied und werbt für unsere Sache!“

Viele Grüße
Eure Blau-Weiß-Rote Hilfe